Persönlichkeitsstörungen

Fachartikel von Barbara Tröbinger

Jeder Mensch ist einzigartig. Die individuellen Eigenschaften, Stärken und Schwächen machen einen Menschen zu dem, der er ist. Die Einen sind eher still und schüchtern, die Anderen eher gesellig und selbstbewusst; manche sind gewissenhaft und strukturiert, andere wieder chaotisch und spontan, manche rücksichtsvoll und kooperativ, andere egozentrisch, selbstbehauptend und streitlustig; manche Menschen sind leicht irritierbar und verletzlich, andere ausgeglichen und zufrieden.

Jede Eigenschaft eines Menschen kann als angenehm oder als störend erlebt werden, je nachdem in welcher Situation sie auftritt, wie man sie selbst und wie das soziale Umfeld sie bewertet und je nachdem wie andere darauf reagieren.

Von einer "Persönlichkeitsstörung" (ICD-10: F60.x) spricht man nur dann, wenn...

  • die charakteristischen Erlebens- und Verhaltensmuster einer Person situativ sehr unflexibel, starr und unangemessen bzw. übertrieben sind   UND
  • dadurch ein erheblicher Leidensdruck beim Betroffenen besteht, eine Beeinträchtigung in Beziehungen, eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit oder das soziale Umfeld dadurch zu Schaden kommt bzw. darunter leidet.

Wesentlich für die Diagnosestellung ist, dass die problematischen Charakterzüge über lange Zeit bestehen und in unterschiedlichen Kontexten zutage treten (Familie, Partnerschaft, Freunde, Ausbildung, Beruf, Freizeit, Nachbarschaft). Oft lassen sich Persönlichkeitsstörungen und die damit verbundenen Konflikte bis ins Jugendalter zurückverfolgen.

Das DSM unterscheidet 3 Gruppen (Cluster) von Persönlichkeitsstörungen:

Cluster A - Persönlichkeitsstörungen

Hierzu zählen die paranoide, die schizoide und die schizotypische Persönlichkeitsstörung.

Typische Eigenschaften: sonderbar, exzentrisch, misstrauisch, eigenbrödlerisch, affektarm, gefühlskalt, meidet soziale Kontakte, Gefühlsdurchbrüche bei vermeintlicher Bedrohung

Cluster B - Persönlichkeitsstörungen

Darunter werden die Borderline-Persönlichkeitsstörung (= emotinal-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus), die histrionische, die antisoziale (= dissoziale), und die narzisstische Persönlichkeitsstörung eingeordnet. Im ICD-10 wird die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung in 2 Subtypen unterteilt: in den impulsiven Typus (aggressiv, reizbar, explosiv) und in den Borderline-Typus (rasch wechselndes Selbstbild, intensive und sehr unbeständige Beziehungen, selbstzerstörerisches Verhalten bis hin zu Selbstmordversuchen).

Typische Eigenschaften: dramatisch, emotional, theatralisch, schillernd, launenhaft, impulsiv, in Schwarz-Weiß-Denkmustern gefangen (Idealisierung oder Entwertung in Beziehungen), Schwierigkeiten mit Nähe und Distanz, häufig Selbst- oder Fremdaggression, sebstschädigendes Verhalten, Kontrollverlust bei Kritik (irrationaler "Gegenangriff" und Entwertung, Drohungen, Impulsdurchbrüche, selbstverletzendes Verhalten, ...)

Cluster C - Persönlichkeitsstörungen

Dieser Cluster umfasst die vermeidende, die dependente (= abhängige), die zwanghafte und die passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung

Typische Eigenschaften: ängstlich, selbstunsicher, besorgt, zwanghaft, sozial vermeidend oder abhängig, leicht verletzbar und irritierbar

Wenn sich die Symptome nicht klar einer der Kategorien zuordnen lassen, jedoch Leidensdruck oder eine Funktionsbeeinträchtigung durch rigide und unangemessene Charaktereigenschaften besteht, dann kann die Diagnose "kombinierte Persönlichkeitsstörung" (ICD-10: F 61) oder "nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung" (ICD-10: F 60.9) gestellt werden.

Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen


Häufig leidet das soziale Umfeld (Partner, Kinder, andere nahestehende Angehörige, Arbeitskollegen/Mitarbeiter) mehr unter dem rigiden und unangemessenen Verhalten als der Betroffene selbst.

Daher wird eine Psychotherapie auch häufig von Angehörigen oder Unterstützungspersonen (z.B. von Sozialarbeitern) angeregt, oder unter dem "Druck" von öffentlichen Institutionen (z.B. Gericht, Jugendamt) aufgesucht. Mitunter wird Unterstützung in einer Paartherapie oder einer Familientherapie gesucht.

Viele Betroffene ergreifen erst dann selbst die Initiative zu einer Therapie, wenn sie unter sozialer Ausgrenzung leiden, oder durch Folgeerkrankungen bzw. psychische Begleitsymptome belastet sind. Als häufigste sind hier Psychosomatische Symptome, Suchterkrankungen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Depression und posttraumatische Symptome zu nennen.

Eine Psychotherapie ermöglicht Betroffenen...

  • in Beziehungen flexibler und umsichtiger zu reagieren, neue soziale Rollen und Verhaltensweisen auszuprobieren;
  • die Reaktionen des sozialen Umfelds auf eigene Verhaltensweisen besser zu verstehen, bei Konflikten/ in Stresssituationen entspannter und wohlwollender (gegenüber sich selbst/gegenüber anderen) reagieren zu können;
  • Ängste zu überwinden, Unsicherheit leichter auszuhalten, selbstsicherer und so auch kritikfähiger zu werden;
  • sich in einem geschützten Rahmen und in einem wertschätzenden Gesprächsklima eigenen "blinden Flecken" zu stellen und innerlich zu reifen.

So verbessern sich die persönliche Lebensqualität, die sozialen Kompetenzen, das Selbstvertrauen, das Gesundheitsverhalten, die Zufriedenheit in nahen Beziehungen, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und das Beziehungsklima (daheim, in der Arbeit, im Freundeskreis). Daraus können für Klienten neue Perspektiven und Lebensziele entstehen.

Therapiesessel in der Psychologie Praxis - Mag. Barbara Tröbinger, Graz

Mag. Barbara Tröbinger

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